Podiumsdiskussion Martin-Sebastian Abel
13.07.2016 | Im Gespräch

Uniform als Hinweisschild zum Draufschlagen

Böse Worte und Fäuste treffen nicht nur Uniformträger. Doch Uniformierte ziehen den Groll anderer viel schneller auf sich. Warum das so ist und was man dagegen tun kann, erklärt der Landtagsabgeordnete der Grünen Martin-Sebastian Abel.

 

Die Zahl der Gewalttaten nimmt zu. Besonders im Visier stehen Polizisten, Ordnungsamtsmitarbeiter oder Rettungssanitäter, die in Uniform gekleidet eigentlich jedem Bürger sofort signalisieren sollen, an wen man sich in der Not wenden kann. Doch oft ist das Gegenteil der Fall: Uniformträger sind besonders häufig Leidtragende übelster Verbalattacken und Faustschläge. Wie kann das sein?

 

Beschäftigte sind der Staat in Person

 

„Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes sind die Personifizierung des Staates“, sagt Landtagsabgeordneter und Sprecher für Haushalts- und Finanzpolitik von Bündnis 90/Die Grünen, Martin-Sebastian Abel, auf einer Podiumsdiskussion der dbb jugend nrw zum Thema „Gewalt gegen Beschäftigte im Öffentlichen Dienst“. Vor allem Uniformträger sind leicht als Vertreter des Staates zu erkennen. Wütende oder gewaltbereite Bürger nehmen das offenbar als eine Art Hinweisschild zum Draufschlagen wahr. Abel selbst beobachtet Beschimpfungen wie „Scheiß Bulle“, als sich ein Polizist in seiner Pause in Uniform nur ein Brötchen holen will.

 

Doch auch in den Büros droht Prügel. Abel erklärt sich das so: „Dort gibt man Entscheidungen weiter, die im Einzelfall schwierig sind.“ Viele Beschäftigte aus Sozialämtern, Arbeitsämtern oder Ausländerbehörden wissen, wovon er spricht. „Wenn wir Leistungskürzungen kommunizieren müssen oder Betroffene darauf vorbereiten, dass ihr Asylantrag vermutlich abgelehnt werden wird, führt das manchmal zu überschießenden Reaktionen“, sagt eine Mitarbeiterin aus diesem Bereich. Doch Gewalt ist auch immer ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, betont Abel. Genau so wie Gewalt im Fußballstadion nicht losgelöst diskutiert werden kann, könne auch Gewalt gegen Staatsdiener nur im Kontext gesamtgesellschaftlicher Fragen diskutiert werden.

 

Jugendliche vor Gewaltlaufbahn bewahren

 

„Hier ist die Zivilgesellschaft gefragt. Es muss mehrere Schritte geben“, sagt Abel. Zum einen müssten Jugendliche gestärkt werden, wenn sie Gewalt erfahren. „So bewahren wir sie vielleicht davor, selbst eine solche Laufbahn einzuschlagen“, denkt der Landespolitiker. Insgesamt beobachte man, dass es zur Regel geworden sei „immer gleich auf den Kopf oder auf wichtige Organe zu schlagen“. Zum anderen müsse es mehr Bildungseinrichtungen und auch Sport geben – auch das könne helfen, das Problem zu entschärfen. Insgesamt müsse man Gewalt mit einem Mix aus Prävention und Repression begegnen, meint Abel. „Dafür brauchen wir die Kultur, den Sport und einen Konsens unter den Vernünftigen.“ Und auch die Politik sei gefragt. „Viele haben das Vertrauen in staatliche Institutionen verloren. Damit haben wir alle ein Problem – auch die Politik. Darum muss es viele kleine Schritte geben, um das wieder zu verändern“, so Abel.

 

Selbst schon im Wahlkampf beschimpft worden

 

Daneben seien die Betroffenen selbst gefragt, etwas gegen Beleidigungskultur und Angriffe zu unternehmen. „Wir kennen das Problem selbst auch. Jeder von uns ist schon mal am Wahlkampfstand beschimpft worden. Das ist nicht nur unschön, sondern es darf vor allem in Behörden einfach nicht passieren“, findet Abel. Der Öffentliche Dienst habe da eine Vorbildfunktion.

 

„Ich habe jüngst mit vielen Polizeibeamten gesprochen und festgestellt: Es fehlt die Kultur, Beleidigungen anzuzeigen. Die Polizisten nehmen sie oftmals als Teil des Jobs wahr“, sagt der Landespolitiker. Um Polizisten darin stark zu machen, ein solch negatives Bild zu verkraften, plädiert Abel dafür, dieses wichtige Thema in die Ausbildung mit aufzunehmen.

 

Bei allen Vorhaben brauche man jedoch auch die Diskussion darüber, wie man alle diese Maßnahmen finanzieren wolle. „Vieles müssen wir dann in Haushaltsjahren denken“, so Abel. Wichtig sei auch, für jeden Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst ein Angebot vorzuhalten, auf das er zurückgreifen kann, wenn er ein Problem habe.

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