01.04.2016 | Betroffenenberichte

Alarm im Job, aber keine Vorbereitung darauf

In manchen Berufen ist das Gefährdungspotential deutlich höher als in anderen. Beschäftigte in diesen Bereichen müssen eher damit rechnen, in eine riskante Situation zu geraten oder angegriffen zu werden. Bei Polizisten ist das so oder auch bei Mitarbeitern, die mit Straffälligen zu tun haben. Doch nicht alle sind darauf geschult.

 

Als Polizist kommt man bei Einsätzen schnell in brenzlige Situationen. Darauf sind die Beamten geschult. Sie lernen, Situationen verbal zu deeskalieren und bekommen in ihrer dreijährigen Ausbildung Möglichkeiten zur Eigensicherung mit auf den Weg. Bevor sie ihren Dienst als fertig ausgebildeter Polizist antreten, haben sie nicht nur den Umgang mit Pfefferspray erlernt, sondern auch den mit dem Einsatzmehrzweckstock. Außerdem wissen sie, wann und wie sie die Waffen einsetzen können, die sie bei sich tragen.

 

Zu gefährlichen Situationen kommt es jedoch nicht nur dort. Beispiel Bewährungshilfe: Hier arbeiten Männer und Frauen, die straffällig gewordenen Menschen dabei helfen, ein straffreies und an sozialen Normen orientiertes Leben zu führen. „Wir haben mit schweren Straftätern zu tun, mit Mördern oder Sexualstraftätern“, erzählt ein Mitglied der dbb jugend nrw, das in diesem Bereich arbeitet. Um frei sprechen zu können, möchte die junge Frau anonym bleiben. „Unser Auftrag ist die Resozialisierung der Straftäter“, erklärt sie uns. Dazu gehört nicht nur, die Hintergründe zu beleuchten, die zur Ausübung der Straftat geführt haben, sondern auch Unterstützung in Form von Schuldnerberatung, psychischer Hilfe oder familiärer Unterstützung zu organisieren. „Außerdem müssen wir natürlich auch kontrollieren, ob abgesprochene Dinge eingehalten werden, Geldbußen bezahlt werden und so weiter“, erklärt das Mitglied der dbb jugend nrw weiter.

 

Vom Schreibtisch aus ist so etwas kaum möglich. Oft gehen Bewährungshelfer raus und besuchen die Straftäter in ihrem häuslichen Umfeld. Was sie dort erwartet, wissen sie nicht. Sie tragen keine Schutzwesten und können sich auch sonst in keiner Form schützen. Auch wenn unsere Ansprechpartnerin selbst noch nie einen Übergriff erlebt hat, weist sie darauf hin, dass auch viele Bewährungshelferinnen alleine unterwegs sind. Sie sind in vielen Fällen den Straftätern allein körperlich unterlegen. Doch besondere Vorsichtsmaßnahmen gibt es nicht.

 

Was jedoch am meisten befremdet: Von ihrem Arbeitgeber, dem Land Nordrhein-Westfalen, werden die Bewährungshelfer oft nur sehr mangelhaft auf diese gefährliche Tätigkeit vorbereitet. Meist sogar gar nicht. „Das meiste in Sachen Eigenschutz habe ich durch meinen Mentor im Praktikum gelernt“, erklärt unser Mitglied. Dazu gehört, darauf zu achten, dass beim Besuch des Delinquenten im Amt keine Gegenstände auf dem Schreibtisch oder Besprechungstisch liegen, die zur Waffe werden könnten. „Gelernt habe ich da ebenso, dass ich Tacker, Locher oder meine Schere immer im Schreibtisch einschließe. Wenn ich Besuch von Straftätern bekomme, setze ich mich wegen der besseren Gesprächsatmosphäre gemeinsam an einen kleinen Tisch. Ich setze mich jedoch immer direkt neben die Tür, damit ich im Ernstfall fliehen kann“, so unser Mitglied weiter.

 

Die Vorbereitung auf solche Gespräche ist spärlich. Lediglich während ihres Studiums lernen die Bewährungshelfer in einer kleinen Einheit etwas über das Thema „Gesprächsführung“. Wie sie im Falle eines körperlichen Angriffs reagieren sollen und können, lernen sie nicht. „Ich finde, dass der Arbeitgeber diesbezüglich Schulungen anbieten müsste und würde mir selbst einen Selbstbehauptungskurs wünschen“, sagt unser Mitglied. In einem Fall kann sich unsere Ansprechpartnerin daran erinnern, dass eine Kollegin von einem Psychopathen bis nach Hause verfolgt wurde. In solchen Fällen hilft weder das selbst angeeignete Wissen in Sachen Gesprächsführung noch ein roter Alarmknopf am Schreibtisch.

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