12.11.2015 | Im Gespräch

Gewalt gegen öffentlich Beschäftigte: Kraft nimmt Forderungen der dbbj nrw entgegen

Die Zahl von Angriffen und Bedrohungen gegen Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes steigt immer weiter an. In einem Gespräch mit NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft brachte die dbb jugend nrw am 9. November zur Sprache, was dort vor sich geht und überbrachte ein Positionspapier mit Forderungen.

 

Ob Politessen, Sanitäter, Feuerwehrleute oder Mitarbeiter in Jobcentern oder Bürgerbüros – was Beschäftigte verschiedenster Bereiche des Öffentlichen Dienstes an Angriffen und Bedrohungen gegen sich zu berichten haben, lässt einem den Atem stocken. Beschimpfungen sind an der Tagesordnung, oft werden Mitarbeiter dieser Bereiche sogar bedroht oder angegriffen. In einigen Fällen haben sie für ihren Job schon ihr Leben lassen müssen. So bei der tödlichen Messerattacke auf eine Mitarbeiterin im Jobcenter Neuss im September 2012 oder einen Gutachter im Jobcenter Rothenburg ob der Tauber im Dezember 2014.“Es besteht dringender Handlungsbedarf“, betont der Vorsitzende des gewerkschaftlichen Jugenddachverbandes, Jano Hillnhütter. Im Gespräch mit Ministerpräsidentin Hannelore Kraft am 9. November brachte die dbb jugend nrw Vorschläge auf den Tisch, die den Schutz und die Sicherheit der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst erhöhen sollen. Sie sind in einem Positionspapier zusammengefasst.

 

Probleme gibt es vor allem bei der Zuständigkeit für dieses übergreifende Anliegen. „Für manche Bereiche wie die Polizei ist das Land zuständig, für andere wie Bürgerbüros oder Sozialämter die Kommunen und in anderen der Bund. Jeder werkelt vor sich hin, aber es gibt niemanden, der übergeordnet Lösungsmaßnahmen angeht“, moniert Vorsitzender Hillnhütter.

 

Ein weiteres Manko: Bislang ist der Schutz der Mitarbeiter nicht Teil des Arbeitsschutzes. Das führt dazu, dass viele zwar beispielsweise Einweisungen im Umgang mit technischen Arbeitsgeräten bekommen, für Deeskalationsschulungen aber kein Geld zur Verfügung steht. „Jeder, der schon einmal einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht hat, weiß, wie schnell das Wissen wieder verblasst. Gerade da, wo es um Verhalten in Extremsituationen geht, ist es notwendig, immer wieder zu üben und zu wiederholen“, sagt Hillnhütter. Die Realität aber sieht anders aus. Die meisten Beschäftigten bekommen lediglich in ihrer Ausbildung einen kurzen Input zu deeskalierendem Verhalten. Danach nie wieder.

 

Daneben sind es häufig überlange Bearbeitungszeiten von Anträgen und Gesuchen, die zu einem steigenden Aggressionsniveau führen und die Wut im Bürger hochkochen lassen. „Besonders in sensiblen Bereichen, in denen es zum Beispiel um finanzielle Absicherung geht, wäre mehr Zeit nötig. In einem Jobcenter, in dem ein Fallbearbeiter für 400 Menschen zuständig ist, ist dafür keine Zeit“, nennt Hillnhütter ein weiteres Problem. Hier bräuchte man mehr Personal, um die Situation für den einzelnen Mitarbeiter zu entschärfen. Mehr in den Fokus sollten nach Auffassung des Verbandes auch bauliche Verbesserungen genommen werden sowie die rechtliche Rückendeckung durch den Arbeitgeber. Denn bislang werden in vielen Fällen Übergriffe auf Bedienstete bagatellisiert oder totgeschwiegen. Aus Sicht des gewerkschaftlichen Jugenddachverbandes gehört es zur Fürsorgepflicht des Dienstherrn/Arbeitgebers, sich bei verbaler oder körperlicher Gewalt hinter die Beschäftigten zu stellen.

 

Für die Ausführungen der Junggewerkschafter nahm sich die Ministerpräsidentin viel Zeit und folgte den Berichten aus der Praxis mit großem Interesse. Kernpunkt des Problems sei die Verrohung der Gesellschaft im Allgemeinen, so Kraft. Dennoch war sie dankbar für die konkreten Anregungen, die der gewerkschaftliche Jugenddachverband in seinem Positionspapier aufgeführt hatte. Hierzu zählen ein verstärkter Fokus auf Schulungen in Sachen Deeskalation und Eigensicherung schon in der Ausbildung sowie bessere Rückendeckung der Beschäftigten durch die Behörde bei einem Übergriff.

 

„Ich nehme insgesamt wahr, dass Anstand und Respekt in unserer Gesellschaft bröckeln und sich auch der Ton verschärft. Nicht nur im öffentlichen Dienst leisten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wichtige Aufgaben für uns alle – die Beschäftigten müssen ihre Aufgaben sicher und ohne Bedrohung und Gewalt erfüllen können. Das Thema müssen wir gemeinsam anpacken“, sagte Ministerpräsidentin Kraft. Sie rief den Jugendverband deshalb gleichzeitig zur Mithilfe auf, um eine gesellschaftliche Debatte zur Gewaltsituation anzustoßen. „Haben Sie nicht eine Idee, wie man junge Menschen auf pfiffige Art und Weise zu diesem Thema erreichen kann?“ Gerne wird die dbb jugend nrw ihre Expertise und ihre Kreativität mit einbringen und ihren Teil dazu beitragen, dass Beschäftigten des öffentlichen Dienstes bei der Ausübung ihrer Tätigkeit mit Respekt begegnet wird.

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