06.07.2017 | Gute Ansätze

Wie ein Übergriff die Verwaltungsspitze in Iserlohn wach rüttelte

Im Februar 2016 kommt es im Ausländeramt in Iserlohn zu einem Übergriff. Dabei wird eine Mitarbeiterin bespuckt und beschimpft, ihr Kollege durch Tritte und Faustschläge sogar verletzt. Der Schock darüber sitzt so tief, dass die Verwaltungsspitze beschließt, für die Zukunft vorzusorgen. Dabei kommt einiges in Gang.

 

„Tritte und Faustschläge auf Rathaus-Mitarbeiter in Iserlohn“ – diese Schlagzeile auf der Kampagnenwebsite der dbb jugend nrw angegriffen.info erinnert an ein Ereignis, das die Mitarbeiter in der Verwaltung in einen Schockzustand versetzte und die Verwaltungsspitze wach rüttelte. Wie ist es eigentlich um die Sicherheit unserer Mitarbeiter bestellt? – so lautete die bohrend Frage, der man sich stellte.

 

Umdenken: Jetzt will man Prävention

 

In Iserlohn entschied man sich dafür, den Übergriff nicht als Einzelfall zu sehen. Man wollte für die Zukunft vorbeugen. Das Personalamt in Iserlohn nahm sich des Themas Gewaltprävention an und verfolgt seitdem eine Umsetzung nach dem Aachener Modell.

 

Melanie Meyer, die auch Mitglied im Personalrat ist, freut sich über die Initiativen, die in Iserlohn ergriffen werden. „Ich arbeite seit 2013 bei der Betreuungsstelle der Stadt“, erzählt die Kombanerin. Dort habe man öfter mit psychisch kranken Menschen zu tun. In schwierigen Situationen fühlten sich die Beschäftigten oft unwohl, weil sich schwer abschätzen ließ, wie die zu Betreuenden die an sie adressierten Informationen aufnehmen würden. Sie kennt solche Unsicherheit bei der Arbeit also selbst. Auch wenn nichts passiert, sitzt man dann manchmal wie auf heißen Kohlen. „Darum gab es früher in bestimmten Bereichen Alarmknöpfe, zum Beispiel im Sozialamt“, sagt sie.

 

Notfallknöpfe und Sicherheitsmitarbeiter

 

Nach dem Vorfall im Februar 2016 bekamen diese Knöpfe unter dem Schreibtisch eine neue Bedeutung. Die Stadt hat die Installierung ein neues Alarmierungssystems in Angriff genommen. Demnach soll in Zukunft auch das Ausländeramt die Notknöpfe bekommen.

 

Seit dem Übergriff vor mehr als einem Jahr wird auf dem Flur des Ausländeramtes ein Sicherheitsdienstmitarbeiter eingesetzt. „Das Bewusstsein für die Lage ist ein anderes geworden“, sagt Melanie Meyer. Früher habe es häufiger Unruhe gegeben. Seitdem der Sicherheitsmitarbeiter – der selbst fremdländische Wurzeln hat – präsent ist, sei es viel ruhiger geworden. „Die Besucher benehmen sich jetzt einfach anders.“ Ein weiterer Vorteil: Wenn die Mitarbeiter Gespräche führen, bei denen sie aufgrund vorheriger Erfahrungen wissen, dass sie schwierig werden, sagen sie dem Sicherheitsdienst vorher Bescheid. „Er ist dann informiert und weiß, wo Schwierigkeiten aufkommen könnten. Das gibt uns ein Gefühl von Sicherheit.“

 

Sicherheitsbegehung und Schulungen – Teil eines Gesamtkonzepts

 

Doch dabei soll es nicht bleiben. „Im Dezember haben alle Mitarbeiter ein Schreiben bekommen, in dem weitere Maßnahmen angekündigt wurden, um die Sicherheitslage in den Behörden zu verbessern“, sagt Meyer. Dazu zähle auch die Begutachtung aller Arbeitsplätze durch einen Sicherheitsingenieur und Mitarbeiter des Polizeipräsidiums Dortmund. Die sei begonnen, jedoch aus ihrer Sicht noch nicht abgeschlossen. An manchen Stellen kommt das gute Vorhaben dann doch ins Stocken.

 

Ein weiterer Stein im Sicherheitskonzept der Kommune sind zudem Mitarbeiterschulungen in Sachen Gewaltprävention. „In den Schulungen geht es um Fragen wie: Wie erkenne ich eine Gefahr? Wie kann ich deeskalieren? Oder auch ganz konkret: Wie kann ich einen Griff lösen, wenn ich festgehalten werde?“, sagt Meyer. Ein Problem allerdings: Wenn man rund 1.600 Mitarbeiter schulen möchte, benötigt man lange Zeit, um alle Mitarbeiter zu erreichen. Angeboten wurden bislang zwei Schulungen. Bei guter Resonanz sollen diese ausgebaut werden.

 

„Ich konnte mich beispielsweise aufgrund der Arbeitsdichte im Moment nicht anmelden“, sagt sie. Auch von verschiedenen Kollegen weiß sie, dass bei ihnen beide Termine nicht passen. Wichtig wäre der Besuch der Trainings vor allem für Bereiche mit schwierigen Kundenkontakten wie Jugendamt oder Ordnungsamt.

 

Nächste Hürde nehmen und Anlaufschwierigkeiten überwinden

 

Bei allem Verbesserungswillen wünschen sich viele Mitarbeiter eine bessere Kommunikation. Auch wenn nun Gutes auf den Weg gebracht sei, gewinnt man den Eindruck, dass es hier und da Anlaufschwierigkeiten gibt.

 

Einen wichtigen Platz nehmen aus Sicht der Beschäftigten auch Handlungsanweisungen im Sicherheitsmodell der Zukunft ein. „Wer darf Hausverbote aussprechen, und wann darf man sie aussprechen?“ Diese Fragen dürften nicht unbeantwortet bleiben. Als problematisch zeichnet sich aus Sicht Meyers zum Beispiel die Umsetzung von Hausverboten ab. Sie werden für einen Zeitraum ausgesprochen. Ist der vorbei, haben potentielle Krawallmacher wieder freien Zutritt.

 

Bei allen Fragen rund um die Weiterentwicklung des Sicherheitskonzepts für Iserlohn freut sie sich jedoch über den Fortschritt – auch über den, der da noch kommt.

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