Ausgerissene Haare und Bedrohung am Check-In
Angepampt, weil das Gepäck zu spät kommt oder beschimpft, weil die Warteschlange zu lang ist. Auch an Deutschlands Flughäfen erleben Beschäftigte mitunter ihr blaues Wunder. Was sie vor allem in stressigen Zeiten über sich ergehen lassen, schildern hier zwei Betroffene.
Tatort Düsseldorfer Flughafen: Vor rund einem Jahr musste hier ein Busfahrer nach einem Messerangriff mit lebensgefährlichen Verletzungen ins Krankenhaus gebracht werden. Er überlebte nur durch eine Notoperation. „Im Öffentlichen Dienst passieren in den letzten Jahren leider auch immer häufiger Übergriffe, bei denen Angegriffene aufs schwerste verletzt werden oder sogar ihr Leben verlieren“, sagt Moritz Pelzer, Vorsitzender der Deutschen Beamtenbund-Jugend NRW (dbb jugend nrw). Beschäftigte verschiedener deutscher Flughäfen, die an dieser Stelle anonym bleiben möchten, bestätigen die Zunahme von Aggression. Wenngleich sie meist verbal bleibt.
„Ich stech dich ab, du Schlampe!“- das geht nah
„Die Grenzen sind für viele gefallen“, sagt einer der Flughafenbediensteten. Er berichtet von Kollegen, die am Gate als Nazis beschimpft wurden, weil sie das Gepäck aus dem Ausland Einreisender durchsucht haben, von einer Kollegin, die als Fotze beschimpft wurde, und von Drohungen wie „Ich stech dich ab, du Schlampe!“ gegenüber einer Kollegin an einem Infopoint.
Die Anweisung an das Personal: In solchen Fällen sollen sie das Gespräch deeskalieren und versuchen, auf die Wünsche der Gäste einzugehen. Doch auch wenn sich die Situation so beruhigen lässt, bleibt die persönliche Beschimpfung haften.
Nicht alle sind in Deeskalation geschult
Ein weiteres Problem: „Nicht jeder ist in Deeskalation geschult“, sagt der Airport-Beschäftigte. Die Trainings sind freiwillig, oft fehlt im Berufsalltag die Zeit, sie zu belegen. Seminare werden zum Teil abgesagt, weil sich nicht genügend Beschäftigte dafür anmelden. In anderen Fällen liegen sie Jahre zurück. „Ich habe vor über fünf Jahren ein Deeskalationstraining besucht“, schildert unser zweiter Ansprechpartner.
„Das ist alles andere als optimal“, moniert Moritz Pelzer. Experten bestätigen, dass nur regelmäßige Schulungen dazu führen, dass erlernte Inhalte im Ernstfall in der Praxis abgespult werden können. Es sei wie beim sportlichen Training: „Wer einmal im Jahr trainiert, kann kein Bundesligaspiel gewinnen“, sagt Pelzer.
Problematisch ist auch: Wenn es direkt zum Übergriff kommt, nutzt auch eine Deeskalationsschulung nichts. So berichtet einer der Flughafen-Beschäftigten von ausgerissenen Haaren und einem gezückten Messer. Der Grund in beiden Fällen: Übergepäck. Auch an den Check-in-Schaltern komme es regelmäßig zu unschönen Szenen. Oftmals spielen Verständigungsprobleme dabei eine Rolle.
„Wir müssten es in Rollenspielen üben“
Zwar gebe es Notfallpläne, die ausgedruckt und schön laminiert an den jeweiligen Arbeitsplätzen zur Verfügung stünden. „Doch müsste es ein Muss sein, die Deeskalation an solchen Arbeitsplätzen im Rollenspiel zu üben“, so einer der Beschäftigten.
Die Folge der häufigen Beschimpfungen: Die meisten versuchen sich laut der beiden Flughafenbeschäftigten ein dickes Fell zuzulegen. Es gebe die Möglichkeit, den Übergriff in seinem Tagesbericht aufzunehmen. In einem solchen Fall wird der Vorfall dem Vorgesetzen zugetragen. Früher habe es eine Anlaufstelle für psychologische Hilfe gegeben. Doch die sei vor über fünf Jahren abgeschafft worden, so die Auskunft eines Beschäftigten.
Nach Notruf kommt Hilfe manchmal erst spät
Was ebenfalls verbessert werden muss: An manchen Stellen sind Notknöpfe installiert, mit der man die Security zur Hilfe rufen kann. Oft dauere es jedoch sehr lange, bis sich diese an Ort und Stelle einfinde. „Ich hatte auch schon Fälle, in denen mir dann der Security-Mitarbeiter gesagt hat, dafür sei er nicht zuständig“, schildert ein Betroffener. Vor allem jüngere Mitarbeiter seien in solchen und anderen Situationen oft überfordert.
„Um die Zahl der Übergriffe in den Flughäfen, aber auch anderen Bereichen des Öffentlichen Dienstes sichtbar zu machen, fordern wir den Ausbau der polizeilichen Kriminalstatistik“, sagt Pelzer. Doch sei es auch mit einer solchen Dokumentation nicht getan. Regelmäßige Deeskalationsschulungen sind vor allem in Bereichen mit viel Publikumsverkehr unverzichtbar.