Anti-Gewalt-Kampagne bei der Stadt Wuppertal
15.04.2020 | Gute Ansätze

Beschimpfung „Ihr Arschlöcher!“ ist in Wuppertal kein Kavaliersdelikt

Mit Anti-Gewalt-Kampagnen und der strikten Verfolgung von Übergriffen auf Beschäftigte im Öffentlichen Dienst versucht man vielerorts die Arbeit in den Verwaltungen wieder sicherer zu machen. Beschimpfungen können ganz schön teuer werden, wie ein Beispiel zeigt.

 

In Behörden wie Jobcentern, Ordnungs- oder Sozialämtern kommt es gehäuft vor: Mitarbeiter werden beschimpft und beleidigt, wenn nicht sogar körperlich angegriffen. Um der Zunahme der Übergriffe etwas entgegenzusetzen, haben inzwischen viele Verwaltungen reagiert. Sie greifen hart durch gegen Randalierer und Angreifer.

 

So auch in Wuppertal. Dort hat die Stadt bereits vor einiger Zeit eine Anti-Gewalt-Kampagne gestartet. Seitdem hängen in allen Verwaltungsgebäuden unmissverständlich und sichtbar Hinweise darauf, dass man Bedrohung, verbale Übergriffe und noch massivere Formen von Gewalt nicht akzeptiert.

 

Umgang mit Beschimpfungen vor zehn Jahren und heute

 

Das war nicht immer so. „In meiner ehemaligen Behörde hat mich ein Mann einmal als ‚Nutte‘ beschimpft“, erinnert sich Lena Meischer (richtiger Name ist der Redaktion bekannt). Dieser Vorfall liegt zwar bereits weit mehr als zehn Jahre zurück, doch er ist ihr mahnend in Erinnerung geblieben. Der Grund: Nach der üblen Beschimpfung bat zwar ihr Vorgesetzter den Aggressor zum Gespräch. Am Ende führte er die verbale Entgleisung jedoch auf den kulturellen Hintergrund des Mannes zurück. Passiert ist danach nichts. Der demütigende Verbalangriff blieb einfach so im Raum stehen.

 

Heute arbeitet die junge Beschäftigte aus Wuppertal selbst als Führungskraft in einem stark frequentierten Amt. Sie ist froh darüber, dass man in ihrer Kommune eine andere Art gefunden hat, mit solchen Situationen umzugehen. Konsequent schreibt man dort die Störenfriede an, gibt die Gelegenheit zur Stellungnahme und kündigt Hausverbote an, die bei wiederholten Übergriffen auch durchgesetzt werden.

 

Ausraster auf dem Flur kostet richtig Geld

 

Doch nicht nur das. Verbale Übergriffe werden auch zur Anzeige gebracht – und das mit Erfolg, wie die junge Führungskraft feststellt. Als Beispiel nennt sie einen Vorfall, der sich jüngst auf den Fluren eines Bereichs der Stadtverwaltung zugetragen hat: „Es war außerhalb der Öffnungszeiten, als jemand versuchte, einen Mitarbeiter des Amtes persönlich zu erreichen“, schildert sie den Fall. Der angesprochene Mitarbeiter habe mehrmals auf die aktuellen Öffnungszeiten verwiesen und darum gebeten, erneut wiederzukommen. Doch die Situation schaukelte sich hoch. Die Person wurde unfreundlich und unbeherrscht. Zum Schluss verließ sie das Gebäude. Nicht, ohne jedoch zuvor lauthals „Ihr Arschlöcher!“ über den Flur zu schreien.

 

„Die entsprechende Person hat sich bereits mehrmals in ähnlich beleidigender Weise verhalten“, erläutert Meischer. Für sie Grund genug, den betroffenen städtischen Mitarbeiter zu schützen und gemeinsam mit ihrem Vorgesetzten Strafanzeige zu erstatten. Das Ergebnis: Die Anzeige wurde verhandelt und die Beleidigung mit einem hohen dreistelligen Betrag geahndet.

 

Politische Zusage: „Kein Verfahren wird mehr eingestellt“

 

„Wir freuen uns, dass tatsächlich etwas passiert ist und dass man sich in der Justiz inzwischen strikter auf die Seite der Staatsbediensteten stellt“, sagt Moritz Pelzer, Vorsitzender der dbb jugend nrw. Bei aller Freude über dieses Signal aus Wuppertal sieht er jedoch in anderen Kommunen weiteren Bedarf. „Wir haben zwar die gemeinsame Zusage von Ministerpräsident Armin Laschet und Justizminister Peter Biesenbach, keine Verfahren mehr wegen angeblich mangelndem öffentlichen Interesse einzustellen“, sagt Pelzer. Dies sei jedoch stark von den handelnden Personen abhängig.

 

Manchmal reagiert die Stadt, aber die Justiz nicht

 

Das weiß auch Heidi Becker, Personalratsmitglied bei der Stadt Remscheid. „Auch bei uns werden Vorfälle über das Rechtsamt konsequent zur Anzeige gebracht“, berichtet sie. Eine Statistik, die genauen Aufschluss darüber gibt, in wie vielen Fällen Strafanzeigen wegen Geringfügigkeit eingestellt werden, werde nicht geführt. Doch ihrer Erfahrung nach würden Verfahren immer noch eingestellt. Dies sei bereits seit vielen Jahren so. Sie stellt jedoch heraus: „Die Stadtverwaltung und explizit die Rechtsabteilung machen einen guten Job und stärken den Beschäftigten in der Verwaltung den Rücken.“

 

„Wir hoffen, dass sich das Vorzeigemodell Wuppertal in Zukunft weiter durchsetzen wird“, sagt Pelzer. Was er den Mitgliedern der dbb jugend nrw anbieten kann: „Teilt uns mit, wenn Anzeigen aus Geringfügigkeit eingestellt werden!“ Diese Beispiele kann man nutzen, um politisch etwas zu erreichen. Die Zusage des Justizministers dazu liegt der dbb jugend nrw vor.

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