Entgleisung im Ausländeramt - das tut man in Solingen dagegen
22.11.2016 | Gute Ansätze

Entgleisung im Amt – das tut man in Solingen dagegen

Es ist ein Schock, im Job bedroht zu werden oder gar Prügel zu beziehen. Für viele Beschäftigte im Öffentlichen Dienst folgt auf das traumatische Erlebnis des Übergriffs das nächste: vom Arbeitgeber allein gelassen zu werden. Ein Beispiel aus Solingen zeigt, wie es auch anders sein kann.

 

Menschen, die sich aufplustern oder provozierend in Szene setzen, kennt auch Markus Schedding. Er arbeitet im Ausländeramt der Stadt Solingen. Auch hier gab es bereits Übergriffe, die über eine Beleidigung hinausgingen. „Ich selbst habe bislang noch keine erlebt“, sagt er und fügt an: „Ich denke, hierzu trägt unter anderem meine Körpergröße bei. Kollegen hingegen waren schon unmittelbar von Übergriffen betroffen.“ Eine Maßnahme, die das entschärfen soll: „Wir haben eine Servicegarantie eingeführt. Das heißt einen Terminvorlauf von zwei Wochen und eine Rückrufgarantie innerhalb von 24 Stunden. Das wirkt sich unmittelbar auf viele Kunden aus. Sie sind entspannter geworden“, sagt Markus.

 

Manchmal kann man sich wappnen

 

Dennoch beobachtet man auch in Solingen, dass grundsätzlich die Hemmschwellen für Ausraster sinken. „Manchmal kann man sich wappnen“, sagt der Jugendleiter des komba Ortsverbands Solingen. Dann zum Beispiel, wenn aus den Akten nähere Hintergründe zur Person erfasst sind. „Wir versuchen auch in solchen Fällen vorurteilsfrei auf die Menschen zuzugehen. Aber man ist halt vorsichtiger“, sagt er. Solche Gespräche nimmt man in Solingen zu zweit wahr und sichert sich so gegenseitig ab.

 

Manchmal passiert es aber trotzdem, dass Gespräche entgleisen und Kollegen sich bedroht fühlen. Wie in einem Fall, in dem jemand im Amt ausflippt und beginnt, gegen eine Bürotür zu treten. Der Grund: Ihm war von der Bundespolizei aufgetragen worden, sich bis zum nächsten Tag in der Ausländerbehörde zu melden. Solche Angriffe sind Schockmomente, die selbst dann nachhallen, wenn die Situation glimpflich ausgeht oder rechtzeitig Hilfe kommt.

 

Sorgentelefon fängt Mitarbeiter psychisch auf

 

In Solingen können sich die Beschäftigten der Stadt in solchen, aber auch in persönlichen Krisensituationen telefonisch an Menschen wenden, die dafür geschult sind. 24 Stunden am Tag sind sie erreichbar und bieten zu festen Zeiten auch persönliche Gesprächsmöglichkeiten an. „Die Stadt zahlt das im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements“, sagt Markus.

 

Um den Mitarbeitern in kritischen Situationen mehr Sicherheit zu geben, gibt es seit diesem Jahr im Ausländeramt eine Alarmsoftware. „Ein Teil des Ausländeramtes sitzt in einem Gebäude mit dem Ordnungsamt“, sagt er. Das nutzt man: Kommt es zu brenzligen Situationen, schrillt auch bei den Kollegen vom Ordnungsamt der Alarm. „Die kommen dann ebenfalls zur Hilfe“, sagt Markus. Das ist gut, denn sie sind aufgrund ihrer Einsatzgebiete intensiver geschult und auf solche Situationen besser vorbereitet.

 

Sicherheitstrainings, bei denen man mehr als Deeskalation lernt

 

„Seit kurzem haben wir die Möglichkeit, am Sicherheitstraining des Ordnungsamtes teilzunehmen – vorausgesetzt, es sind noch Plätze frei“, erzählt er. Die Schulungen sind viel intensiver als normale Deeskalationstrainings. Übergriffsprophylaxe gehört ebenso dazu wie Rhetorik. Dort bekam er auch ungewöhnliche Tipps wie: „Bei schwierigen Situationen, in denen die Kollegen den Alarm auslösen, mit Klamauk ins Zimmer kommen. Das lenkt den Täter ab und man gewinnt Zeit.“

 

Nach Übergriffen auf die Beschäftigten erstattet die Stadt Solingen Anzeige. „Dabei werden die betroffenen Mitarbeiter lediglich als Zeugen genannt“, sagt Markus. Im letzten Fall hat der Oberbürgermeister selbst die Anzeige unterschrieben. In manch anderen Kommunen würde man sich ein derartiges striktes Vorgehen wünschen. Oftmals müssen Beschäftigte selbst Anzeige erstatten und bekommen vom Dienstherrn keinerlei Unterstützung. Darüber hinaus können sich Mitarbeiter aus den sensiblen Bereichen, zu denen auch das Ausländeramt gehört, eine Auskunftssperre beim Einwohnermeldeamt einrichten lassen. Das schützt sie vor der Bekanntgabe ihrer Privatadresse gegenüber Dritten.

 

Pannen passieren trotzdem

 

Eines ist allerdings auch Markus Schedding klar: „Es bleibt immer die Frage, wie gut das alles im Ernstfall funktioniert.“ In Solingen hat man zwar im Vergleich zu vielen anderen Kommunen schon jede Menge getan, um die Situation zu verbessern. Die Erfahrung zeigt jedoch: Es gibt immer Dinge, die dennoch schief laufen. So bei einem Zwischenfall in der Vergangenheit, bei dem die Polizei zur Hilfe gerufen werden musste. Die kam zwar, lief aber ins falsche Gebäude und strandete in der Teeküche.

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