Erlass schafft mehr Sicherheit für Gerichtsvollzieher und Steuerfahnder
18.09.2020 | Gute Ansätze

NRW-Justizministerium stattet Gerichtsvollzieher mit Notrufsystem aus

Morddrohung, Nötigung oder mit Waffen bedroht – das sind Szenarien, die die meisten Gerichtsvollzieher kennen. Wenn die Beamten an der Haustür klingeln, schützt sie derzeit nur ihr Bauchgefühl. Das ist zu wenig, findet Justizminister Biesenbach und stattet in Kürze landesweit Justizmitarbeiter mit Notrufsystemen aus.

 

Die Gefahr ist immer mit unterwegs: Wenn Gerichtsvollzieher an der Haustür klingeln, wissen sie oft nicht, was sie erwartet. Meist schützt sie nur eine innere Vorahnung, es lieber an einem anderen Tag zu versuchen. An beinahe jedem Werktag in der Woche kommt es zu einem Übergriff auf einen Gerichtsvollzieher. Sie werden beleidigt, mit dem Tod bedroht oder angegriffen. Und das erschreckend häufig: Das dokumentiert ein Bericht aus dem nordrhein-westfälischen Justizministerium. 288 Vorfälle führt er allein für das Jahr 2019 auf.

 

Notruf aus der Hosentasche

 

Ein kleines Gerät in der Hosentasche soll darum in Zukunft die Sicherheit der rund 900 Gerichtsvollzieher in NRW und zusätzlich der Mitarbeiter im Bereich der Bewährungshilfe – auch Ambulanter Sozialer Dienst (ASD) genannt – erhöhen. Per Knopfdruck können die Beschäftigten dann bei ihren Außeneinsätzen Hilfe alarmieren.

 

Noch befindet sich das mobile Notruf- und Alarmierungssystem mit dem Namen moNA in der letzten Stufe der Testphase, doch soll es voraussichtlich noch im September scharf geschaltet werden. Plan sei, so heißt es aus dem Justizministerium, 28 Amtsgerichtsstandorte und in 21 Dienststellen des ASD mit Notrufgeräten auszustatten. Zum Teil werden die Geräte bei Bedarf als Pool-Gerät, zum Teil persönlich zur Verfügung stehen und sollen so dauerhaft landesweit die Sicherheit der Justizmitarbeiter im Außendienst erhöhen. Auch in Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern sind Gerichtsvollzieher bereits mit Notrufsystemen ausgestattet.

 

Nach Testphase wird Notrufsystem moNa bald scharf geschaltet

 

In der einjährigen Testphase gab es allerhand Probleme zu lösen: „Die Kreis- bzw. Stadtgrenzen sind nicht identisch mit den Grenzen der Gerichtsbezirke“, erläutert ein Sprecher des Ministeriums. Löst also ein Mitarbeiter einen Alarm aus, läuft dieser zwar zunächst in einer zentralen Alarmstelle in Frankfurt ein, muss dann aber noch an die zuständige Polizeidienststelle weitergeleitet werden.

 

Neben dem Notruf und den GPS-Daten des in Gefahr geratenen Mitarbeiters werde zudem ein Kennwort durchgegeben, das deutlich macht, dass es sich um eine akute Notfallsituation eines Justizmitarbeiters handelt. Dadurch weiß die Polizei gleich, dass ein Gerichtsvollzieher in Not ist. „Das wird die Beschäftigten vor Ort nicht abrupt aus der schwierigen oder bedrohlichen Situation retten können, doch können sie gewiss sein, dass so schnell es eben geht Hilfe unterwegs ist“, heißt es aus dem Justizministerium. Es sei oberste Priorität, mehr Sicherheit zu gewährleisten. moNA wird darum an 365 Tagen 24 Stunden bereitstehen, so die Planung.

 

Neben Akutalarm auch Zeitnotruf möglich

 

Doch nicht jede Situation ist gleich eine Akutsituation. Um den Schutz der Beschäftigten möglichst umfassend zu gestalten, gibt es die Möglichkeit, außer eines Akutalarms auch einen sogenannten Zeitalarm abzusetzen. Das heißt konkret: Bereits vor dem Besuch an der Haustür kann der Gerichtsvollzieher künftig in als unsicher empfundenen Situationen den Notknopf drücken. Damit geht eine Information an die Frankfurter Leitstelle und es wird ein 30-minütiges Zeitfenster aktiviert. Kurz vor Ablauf dieser Zeitfrist meldet sich das Gerät beim Träger. Drückt dieser den Knopf erneut, ist der Zeitalarm entschärft. Meldet er sich nicht, versucht die Alarmzentrale telefonisch Kontakt zum Justizmitarbeiter herzustellen.

 

Diese Vorabinformation hat auch Vorteile für die Polizei. Sie könne ihren Einsatz anders planen, da durch den zeitlichen Vorlauf die Chance besteht, erste Rahmeninformationen einzuholen. Das kann beispielsweise eine Datenüberprüfung sein, um zu ermitteln, ob die besuchte Person bereits im Vorfeld in irgendeiner Weise auffällig war. Bei einem Direktalarm und dem damit verbundenen Soforteinsatz besteht hingegen für die Polizisten eine unklare Lage. Auch sie wissen in solchen Fällen nicht, was sie vor Ort erwartet.

 

Zugriff auf Bundeszentralregister wird noch diskutiert

 

Flankierend sollen zu diesen Maßnahmen auch weiterhin Deeskalationsschulungen stattfinden. Die Bemühung, Gerichtsvollziehern eine rechtssichere Möglichkeit zur Abfrage verdachtsunabhängiger Auskünfte aus dem Bundeszentralregister zu ermöglichen, liegt hingegen vorübergehend auf Eis. Zwar habe sich NRW-Justizminister Biesenbach bereits bei Bundesjustizministerin Christine Lambrecht für die Umsetzung eingesetzt, diese habe den Vorschlag jedoch zurückgewiesen. Begründung: Der Anschluss von bundesweit rund 5.000 selbständig organisierten Gerichtsvollziehern sei mit einem zu hohen technischen und finanziellen Aufwand verbunden, heißt es aus dem nordrhein-westfälischen Justizministerium. Zudem berge die Bundeszentralregisterauskunft die Gefahr, dass sich die Gerichtsvollzieher bei einer eintragsfreien Auskunft in falscher Sicherheit wiegten.

 

Biesenbach strebt jedoch in der Sache einen neuen Vorstoß an, denn so ein Sprecher: „Da das Ministerium der Justiz in NRW diese Argumente für nicht überzeugend hält, soll die Schaffung dieses Zugriffsrechts bei nächster Gelegenheit zum Thema der Justizministerkonferenz gemacht werden.“

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