Warum die Privatadresse nicht in einer dienstlichen Anzeige stehen muss
17.10.2019 | Gute Ansätze

Nach Anzeige: abwarten und Tee trinken

Wer im Dienst angegriffen, beleidigt oder sogar verletzt wird und daraufhin Anzeige erstattet, der muss viel Geduld mitbringen. Bis es zur Verhandlung der Sache kommt, vergehen oft viele Monate. Beispiele aus anderen Ländern zeigen: Es geht auch anders.

 

Beschäftigte, die bei ihrer Arbeit im Öffentlichen Dienst massiv bedroht oder angegriffen werden, haben es doppelt schwer. Denn nicht nur die Aufarbeitung solcher Ereignisse ist häufig belastend. „Es dauert mitunter Monate, bis es zur Verhandlung kommt“, sagt Moritz Pelzer, Vorsitzender der dbb jugend nrw. Die Gerichte sind personell unterbesetzt und von der Zahl der zu bearbeitenden Verfahren überlastet.

 

Warum es wichtig ist, dass Sanktionen auf dem Fuß folgen

 

Das ist nicht nur für den Betroffenen schlimm, der wegen des offenen Verfahrens auch für sich nicht mit der Sache abschließen kann. Es hat auch andere Nachteile: Aus der psychologischen Motivationsforschung weiß man, wie wichtig es wäre, dass die Strafe auf dem Fuß folgt. Aus diesem Grund fordert die dbb jugend nrw nicht nur eine Anpassung des Strafmaßes zum Schutz öffentlich Bediensteter, sondern auch einen verkürzten juristischen Handlungsspielraum in solchen Fällen.

 

Eine typische Situation: Nach einem Fußballspiel kommt es zu Gerangel, die Polizei greift ein. Die aufgebrachten Fans sind derart in Fahrt, dass sie die Beamten zunächst provozieren, beleidigen und schließlich sogar handgreiflich werden. Während die Beamten bemüht sind, die Situation unter Kontrolle zu bringen, loben die Freunde aus der Gruppe das falsche Verhalten ihrer aggressiven Kumpels. Sie johlen, klatschen und klopfen ihnen auf die Schulter.

 

Aus der Forschung weiß man: Auf unangemessenes Verhalten sollte schnell reagiert werden, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass es in Zukunft nicht wiederholt wird. Studien zeigen, dass Sanktionen dann besonders wirksam sind, wenn sie unmittelbar auf das Fehlverhalten folgen. Die Realität ist jedoch eine andere. Oft vergehen viele Monate, bis eine Verhandlung und damit verbunden eine Sanktion folgt.

 

Langes Warten fördert Belohnungseffekt

 

Werden die handgreiflichen Fans nun von der Gruppe ihrer Freunde gefeiert und gelobt, wirkt das verstärkend auf ihr Verhalten – lange bevor sie überhaupt eine Sanktion zu befürchten hätten. Den Ergebnissen aus der Forschung nach wird es damit unwahrscheinlicher, dass sie ihr Verhalten überdenken und abstellen.

 

Schon eine Verzögerung der Sanktion um drei Minuten hat eine deutlich geringere Wirkung, fanden die Psychologinnen Ann Abramowitz und Susan O ́Leary heraus. Meist vergehen in Deutschland Monate, bis es nach einem Übergriff zur Gerichtsverhandlung und eventuell zu einer Sanktion kommt. Tat und Sanktion sind dadurch zeitlich voneinander entkoppelt. Die Folge: Für den Täter besteht zu seiner Tat gar kein Bezug mehr. Das Ereignis ist verblasst, wird inzwischen vielleicht deshalb als Lappalie empfunden, als gar nicht mehr so schlimm.

 

So schnell geht es in den Niederlanden

 

Dem beugen Länder wie die Niederlande vor, indem sie den juristischen Handlungsrahmen für manche Vergehen besonders stark verkürzt haben: Innerhalb von nur drei bis sechs Tagen steht dort ein Verdächtiger vor Gericht, wenn er wiederholt straffällig wird oder Gewalt gegen eine Person mit öffentlicher Funktion ausübt.

 

Österreich verschärfte Strafmaß

 

Auch in Österreich geht man rechtlich in engem Zeitrahmen gegen Menschen vor, die beispielsweise einen tätlichen Angriff auf einen Polizeibeamten verüben. Es dauert laut Peter Traschkowitsch, Projektleiter der österreichischen Gewerkschaft Vida, zwischen vier Wochen und drei Monaten, bis es zur Verhandlung kommt.

 

Dort verschärfte man für Übergriffe auf Beschäftigte im Öffentlichen Dienst auch das Strafmaß. Ein Beispiel: Übergriffe auf Mitarbeiter öffentlicher Verkehrsmittel wie Busfahrer, Straßenbahnfahrer oder Ticketkontrolleure können seit dem 1. September 2017 mit bis zu zwei Jahren Haft verurteilt werden. Bei tätlichen Angriffen, zu denen beispielsweise Treten, Stoßen oder das Werfen von Gegenständen zählen, droht eine Haftstrafe von bis zu sechs Monaten oder 360 Tagessätze.

 

„Bestraft wird unabhängig davon, ob es zu einer Verletzung beim Opfer kommt“, sagt Traschkowitsch gegenüber der dbb jugend nrw. Ähnlich sieht auch der Handlungsrahmen aus, nach dem Übergriffe auf Polizisten und Justizbeamte geahndet werden.

 

Allein aggressives Verhalten gegenüber Wachdiensten oder anderen Organen der öffentlichen Aufsicht kann aufgrund einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von bis zu 500 Euro oder einer einwöchigen Haftstrafe geahndet werden. Bei schweren Vergehen oder in Wiederholungsfällen kann eine Haftstrafe von bis zu zwei Wochen festgesetzt werden.

 

Unversehrtheit und Sicherheit hat höchste Priorität

 

„Am Beispiel allein dieser beiden Länder sehen wir, wie man mit einfachen Maßnahmen nach außen deutlich machen kann, welche Priorität man der Sicherheit und Unversehrtheit derjenigen Menschen gibt, die für das Wohl aller im Staatsdienst arbeiten“, sagt Pelzer. Wenn Polizei, Feuerwehr oder Ordnungsdienste zum Wohl der Bürger unterwegs sind und in ihrer Aufgabe bedroht oder gar verletzt werden, gehe das über mangelnden Respekt hinaus, so Pelzer. „Hier besteht definitiv Handlungsbedarf!“

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