4. Sicherheitskonferenz der dbb jugend nrw
03.07.2018 | Symposien

Sicherheitskonferenz zeigt: auch Psyche nimmt Schaden

Mit alkoholisierten Menschen diskutieren zu müssen – das kennen die Mitglieder der dbb jugend nrw alle, die zur 4. Sicherheitskonferenz nach Düsseldorf gekommen sind. Randalierende Kunden, Besucher, die mit Selbstverletzungen drohen, wenn sie Leistungen nicht erhalten – auch das gehört für die meisten zum Arbeitsalltag. Sexuelle Belästigung oder körperliche Angriffe sind vielen ebenfalls nicht fremd.

 

Stellt sich nur die Frage: Ist es normal, am Arbeitsplatz täglich solchen Situationen gegenüberzustehen? Sind das psychische Arbeitsbelastungen, die als durchschnittlich anzusehen sind? Muss man das eigentlich ertragen?

 

4. Sicherheitskonferenz der dbb jugend nrw

 

„Die Bosbach-Kommission, der Chef der Staatskanzlei, die Landesregierung und auch der Justizminister beschäftigen sich bereits mit den Forderungen der dbb jugend nrw zu einer Verbesserung der Sicherheit für die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst“, sagt Marcel Huckel, stellvertretender Vorsitzender der dbb jugend nrw und Leiter der 4. Sicherheitskonferenz. Das sei das Ergebnis der letzten Konferenzen und den daraus entstandenen Forderungen des gewerkschaftlichen Jugenddachverbandes.

 

Bei der aktuellen Sicherheitskonferenz am 23. Juni legten die jungen Beschäftigten nun den Finger in eine neue Wunde: die psychische Belastung.

 

Weniger Arbeitsunfälle, aber mehr psychische Erkrankungen

 

Nicht ohne Grund: Mehr als 40 Prozent der Menschen, die wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in Rente gehen, leiden an einer psychischen Erkrankung. Weniger Arbeitsunfälle, aber immer mehr psychische Erkrankungen, die zu Fehltagen am Arbeitsplatz führen, haben dafür gesorgt, dass der Arbeitgeber seit 2013 auch psychische Belastungen am Arbeitsplatz beurteilen muss.

 

Wie das geschehen kann und wie man auch ohne Mitbestimmungsrecht des Personalrats die Mitarbeitervertretung in solche Abläufe einbinden kann – hierüber gab Stefan Sommer, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Spezialist für Mitbestimmung, Bildung und Innere Sicherheit beim dbb einen Überblick.

 

Die Hintertür für den Personalrat, doch in Entscheidungen rund um die Gefährdungsbeurteilung einbezogen zu werden, sind Maßnahmen als Initiativbeitrag. Denn laut Paragraf 5 des Arbeitsschutzgesetzes unterliegt die Gefährdungsbeurteilung der Mitbestimmung durch den Betriebsrat. Fragt die Personalvertretung also initiativ nach, wie Arbeitsmaßnahmen durchgeführt werden können, um unter Einbeziehung der Gefährdungsbeurteilung Dienst- und Arbeitsunfälle zu vermeiden, sitzt sie mit im Boot.

 

So kann man die psychische Belastung erfassen

 

Auch erfuhren die Teilnehmer mehr über die Möglichkeiten zur Erfassung psychischer Belastung – sowie deren Vor- und Nachteile. Möglich ist das beispielsweise über sogenannte Analyseworkshops, in denen Beschäftigte und Führungskräfte gemeinsam über die psychischen Belastungen sprechen. Vorteil: Führungskräfte können unmittelbar weitreichende Fragen dazu stellen. Nachteil: Diese Analyseform setzt eine offene Gesprächskultur voraus. Durch Gruppendiskussionen kann leicht eine eigene Dynamik entstehen. Besser sei es zudem, solche Workshops fachkundig moderieren zu lassen.

 

Eine weitere Möglichkeit stellen Beobachtungsinterviews dar, deren Stärke darin liegt, dass geschulte Personen die psychische Belastung beurteilen. Der Vorteil dieser Methode: Die Situation wird relativ objektiv erfasst. Allerdings ist dazu ein hoher zeitlicher Aufwand nötig, denn es muss eine gewisse Anzahl an Arbeitsplätzen beobachtet werden, um zu einer Einschätzung zu kommen.

 

Letzte gängige Möglichkeit zum Erfassen psychischer Belastung sind die Mitarbeiterbefragungen per Fragebogen. Solche Verfahren laufen standardisiert ab und beziehen alle Beschäftigten mit ein. Um eine möglichst hohe Aussagekraft zu bekommen, muss man allerdings darauf achten, dass die Bögen umfassend und lückenlos ausgefüllt sind.

 

So hoch ist der Psychodruck bei den Mitgliedern der dbb jugend nrw

 

Wie hoch die psychische Last in deutschen Amtsstuben wirklich ist, zeigte sich im zweiten Teil der Veranstaltung: Schüler, die mit Messern und Schlagstöcken bewaffnet in die Schule kommen, erzeugen ebenso heftigen Druck wie haltlose Kundenbeschwerden und verbale Bedrohungen wie: „Ich weiß, wie Ihr Auto aussieht!“

 

Würden die Teilnehmer der Sicherheitskonferenz mit Hilfe eines Fragebogens der Unfallkasse ihre psychische Belastung einschätzen müssen, würde sich ein schlimmes Bild zeichnen: Beinahe alle Teilnehmer gaben an, Situationen zu kennen, in denen Kunden ihre Mitarbeit verweigern, falsche Tatsachen über Sacharbeiter in Umlauf bringen, in Gebäuden randalieren, damit drohen, sich selbst zu verletzen, oder sogar mit Waffen oder Brandanschlägen drohen.

 

„Es wird unsere Aufgabe sein, auch rund um die Erfassung und Beurteilung der psychischen Belastung eine Diskussion anzustoßen“, sagt Huckel. Arbeitgeber, die sich beispielsweise hinter die Mitarbeiter stellen und Grundsatzerklärungen leben, statt in Schreibtischschubladen zu begraben, seien ein gutes Beispiel. So etwas sei ein erster Schritt in die richtige Richtung und ein Signal, die Last der Beschäftigten ernst zu nehmen und Änderungen anstoßen zu wollen.

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