01.10.2020 | Gute Ansätze

Unterwegs mit einem Notrufbutton – wie sich die neue Sicherheit anfühlt

Seit sechs Wochen ist Ramona Puškar mit einem kleinen Gerät in der Hosentasche unterwegs – dem Notrufsystem moNA. Es soll ihr und bald allen Gerichtsvollziehern in NRW mehr Sicherheit bei der Ausübung ihres Jobs geben. Wie aber kann ein Alarmknopf in der Hosentasche vor Ort helfen?

 

In einer Souterrainwohnung zu stehen und plötzlich keinen Handyempfang mehr zu haben, ist im normalen Leben lästig. Im Leben eines Gerichtsvollziehers kann es jedoch lebensentscheidend werden. Denn der Job bringt schwierige, manchmal sogar gefährliche Situationen mit sich. Das weiß auch Obergerichtsvollzieherin Ramona Puškar.

 

„Kommen Sie rein, ich habe da was vorbereitet“

 

Wenn es etwas gibt, das sie in ihrem Job braucht, dann ist das eine Sensibilität für Menschen, Situationen, aber auch die richtige Kommunikation miteinander. „Wenn ich vor einer Räumung schon im Hausflur ein Schild sehe, auf dem steht ‚Kommen Sie rein, ich habe da was vorbereitet‘, ist es nicht so schwer, richtig zu reagieren“, sagt sie. In diesem konkreten Fall hat sie den Ort verlassen und begründet die Polizei zur Hilfe gerufen. Aber es gibt auch Gelegenheiten, die sich dynamisch entwickeln und in denen man vorab nicht ahnen konnte, dass sie brenzlig würden.

 

Genau in solchen Fällen soll künftig ein kleines Gerät in den Hosentaschen der Gerichtsvollzieher präventiv für mehr Sicherheit sorgen. Ausgestattet mit einem Notfallbutton können diese seit dem 1. Oktober in eskalierenden oder unklaren Gefahrenlagen über eine zentrale Notrufstelle in Frankfurt Hilfe rufen. Von dort wird der Notruf zur jeweiligen Polizeidienststelle weitergeleitet. In einem nächsten Schritt wird auch der Allgemeine Soziale Dienst der Gerichte mit solchen Geräten ausgestattet. Immer ist dabei klar: Hier ist nicht eine Katze auf einem Baum in misslicher Lage, sondern hier ist ein Gerichtsvollzieher in einer gefährlichen Situation.

 

Innerhalb von drei Sekunden entscheidet man, ob man rein geht

 

„Eigentlich hatte ich bislang wenige Situationen, in denen ich mich wirklich unwohl gefühlt habe und womöglich einen Notruf abgesetzt hätte“, sagt Puškar. Dennoch gibt ihr das neue vom Justizministerium auf den Weg gebracht Notrufsystem moNA ein Sicherheitsgefühl. „Denn es sind nur drei Sekunden, in denen man vor einer Tür entscheidet, ob man hineingeht oder nicht“, schildert die junge Frau.

 

In den letzten sechs Wochen hat sie – wie verschiedene Kollegen in NRW – das Gerät testen können. Da war es noch nicht scharf geschaltet. Der Testlauf sollte dazu dienen, möglichst viele „Kinderkrankheiten“ im Vorfeld zu erkennen und abzustellen. Denn in der Praxis zeigt sich ganz anders als bei Trockenübungen vom Schreibtisch aus, ob das Gerät verdeckt bedienbar ist, ob es klein genug für die Hosentasche ist, ob sich die Notfallknöpfe zu leicht oder zu schwer drücken lassen oder wie es um den Empfang bestellt ist.

 

Notruf hilft auch da, wo der Empfang weg ist

 

Selbst für Fälle, in denen es mit dem Empfang über GPS kritisch ist, wurde bei der Konzeption des Gerätes vorgedacht. Es gibt die Möglichkeit, einen Verdachtsnotruf abzusetzen. Diesem im Vorfeld aktivierten Notruf ist ein Zeitfenster zugeordnet. Entschärft der Gerichtsvollzieher den Notruf innerhalb von 30 Minuten, passiert nichts weiter. Entschärft er ihn nicht, erinnert das Gerät nach Ablauf der Zeitfrist per Vibration an eine Rückmeldung. Kommt diese nicht, geht der Notruf weiter und es kommt Hilfe.

 

Das ist in Summe alles ganz gut gelungen, sagt Test-Gerichtsvollzieherin Puškar. Einzig kleine Mängel, wie das etwas unkomfortable Andocken an das Ladegerät, sind der jungen Frau aufgefallen. Auch der Akku ist ihrer Meinung nach mit einem halben Tag etwas zu klein bemessen, sagt sie nach dem Praxischeck.

 

„Das Alarmsystem schützt nicht vor dem Übergriff“

 

Was ihr jedoch auch klar ist: „Man sollte das Alarmsystem nicht überschätzen. Der Knopf schützt nicht vor dem Übergriff.“ Ein solches Notrufsystem entbindet nicht davon, vorsichtig zu agieren und Mittel der Deeskalation anzuwenden. „Meiner Erfahrung nach ist es vor allem wichtig, miteinander zu reden“, sagt Puškar. Die andere Seite ausreden zu lassen, ist besonders wichtig. Das nimmt Dampf aus der Situation und gebe die Möglichkeit, im Nachgang Lösungsvorschläge anzubieten. „Viele Leute nehmen sich sehr viel raus. Am Ende ist es dennoch wichtig, ihnen klar zu machen, dass man einen Vollstreckungsakt auszuführen hat, weil sie etwas falsch gemacht haben“, sagt Puškar.

 

Was sie zudem wichtig findet: Es sollte keine Verpflichtung zur Nutzung des Geräts geben, denn jeder habe ein anderes Sicherheitsbedürfnis. „Manche Kollegen behelfen sich beispielsweise mit dem iPhone-Notruf oder über ihre Smartwatch“, sagt sie. Jeder sollte die Unterstützung nutzen, die zu ihm passt und ihm zusätzliche Sicherheit gibt.

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