Was Wartebereiche und Infotafeln mit der Sicherheit der Beschäftigten zu tun haben
Lange warten zu müssen trägt nicht gerade zur Verbesserung der Laune bei. In einem dunklen oder stickigen Flur schon mal gar nicht. Warum das und anderes das Arbeiten für Menschen im Öffentlichen Dienst gefährlicher macht, haben neun junge Leute an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung unter die Lupe genommen. Was sie dabei herausgefunden haben.
Konflikte, laute Worte oder Beschimpfungen – das kennt in der öffentlichen Verwaltung beinahe jeder. Nicht immer kommt es infolgedessen zu körperlichen Übergriffen, aber oft fliegen verbal die Fetzen. Wenn der Sturm vorbei ist, sitzt mancher perplex auf seinem Bürostuhl und fragt sich: „Was war das?“ Nicht immer liegt der Anlass für das aufbrausende Wortgefecht auf der Hand.
Vieles kann die Wut anheizen
Finanzieller Druck, undurchsichtige oder komplizierte Verfahrensweisen, unvollständige Anträge oder Ablehnungsbescheide – es gibt viele Gründe, aus denen heraus Bürger aufgebracht ein Büro betreten. Doch neben solch eher offensichtlichen Ursachen, die zu Ausrastern oder Übergriffen gegen Behördenmitarbeiter führen, gibt es weitere Faktoren, die schlechte Stimmung, Wut und Gereiztheit wachsen lassen und schließlich zum Wutausbruch gegenüber den Beschäftigten führen können.
Alina Müller ist eine der Studenten, die am Kölner Standort der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung, HSPV studieren. In einer Projektarbeit, die auf Initiative der dbb jugend nrw in Zusammenarbeit mit der HSPV zustande kam, wirft sie gemeinsam mit weiteren Kommilitonen das Licht auf genau solche Faktoren.
Desorientierung macht Stress und gibt ein ungutes Gefühl
Aus persönlicher Erfahrung kann die 26-Jährige berichten, dass Bürger in den Verwaltungsgebäuden oftmals orientierungslos herumirren bis sie ihr eigentliches Ziel gefunden haben. Orientierung sei jedoch ein Grundbedürfnis von Menschen. Desorientierung oder das Gefühl „verloren“ zu sein verursache Stress, Angst und Unwohlsein. Genau dieses Gefühl könne sich dann gegenüber den Beschäftigten der Verwaltung in Aggression verwandeln.
Der Lösungsvorschlag, den die Studierenden hierzu erarbeitet haben: funktionierende Behördenleitsysteme. Übersichtliche und auf die Bedürfnisse der Bürger abgestimmte alphabethische und farbliche Leitsysteme können helfen, den Stress für Besucher in Verwaltungsgebäuden zu minimieren. Ganz nebenbei hilft das dann auch, das Aggressionspotential zu senken und damit die Beschäftigten vor Aggression und Gewalt zu schützen.
Wartezeiten wachsen an
Denn häufiges Fragen nach dem Weg kostet den Bürger nicht nur Zeit. Es sorgt auch dafür, dass Termine nicht eingehalten werden können und sich daraus Wartezeiten für nachfolgende Ratsuchende ergeben, was wiederum deren Unzufriedenheit erhöht.
Ein weiteres Problem stellen in vielen Behörden die Wartebereiche dar. Im Kreishaus des Rhein-Erft-Kreises, in dem Alina Müller tätig ist, wird der Wartebereich nun umgestaltet. Zuvor sei der Wartebereich im Vergleich zur Anzahl wartender Personen mit deutlich zu wenig Stühlen ausgestattet gewesen. Vor dem Umbau war er viel zu klein für die durchschnittlich wartende Menge an Bürgern. Auch hieraus ergab sich ein erhöhter Stressfaktor: „Denn in einem kleinen und stickigen Wartebereich wartet niemand gern“, sagt Müller.
Der neue Wartebereich wird lichtdurchflutet in einem überdachten Innenhof eingerichtet. Es wird ausreichend Frischluftzufuhr geben und Wert auf eine freundliche Gestaltung gelegt. So können nach Auffassung der Studierenden Modernisierungsmaßnahmen in Gebäuden auch dazu beitragen, in Sachen Sicherheit für die Beschäftigten Positives zu bewirken.
Man wartet leichter, wenn man weiß wie lange
„Zudem sollten Wartende ihre Wartezeit kennen“, sagt Müller. Unser Gehirn sei darauf eingestellt, auf Unsicherheit mit Stress zu reagieren. Das spüren auch die Behördenmitarbeiter. „Studien zeigen, dass man ungewisse 20 Minuten schlechter abwarten kann als 30 Minuten, von denen man weiß“, sagt die 26-Jährige. Darum schlagen die Studierenden in ihrer Projektarbeit Anzeigetafeln vor, die die voraussichtliche Wartezeit anzeigen. Ähnliche Anzeigen kennt man auch in manchen Städten von Straßenbahn- oder Buswartebereichen.
Doch nicht nur die Verbesserung von Wartebereichen und Wegeleitsystemen sorgt für weniger Stress und für ein Wegfallen ungünstiger Trigger, die aggressives Verhalten anheizen können. Schon lange bevor Bürger Verwaltungsgebäude betreten, kann man mehr in Sachen Bürgerfreundlichkeit tun. So kamen die Studierenden auf die Idee, sich das Thema Online-Auftritt des Kreises genauer anzusehen. Oftmals sind die Webauftritte von Kommunen zwar unglaublich umfangreich, für den Bürger ist es jedoch schwierig, sich dort mit seinem Anliegen zu orientieren. „Oft wird man auf den Websites erst einmal mit politischen News überfallen, die man ja gar nicht sucht, wenn man beispielsweise wissen möchte, wo man einen Wohnberechtigungsschein bekommt“, sagt Saskia Pütz, die in der Projektgruppe diesen Themenschwerpunkt besonders intensiv unter die Lupe genommen hat.
Service über Websites verbessern
Besser wäre es darum, die Struktur solcher Websites daran zu orientieren, was der Bürger dort voraussichtlich suchen wird. „Ein Chat-Bot könnte zum Beispiel gleich fragen, welches Anliegen der Bürger hat und ihm bei der Orientierung weiterhelfen“, regt die Studentin an. Wenn Behörden längst geschlossen haben, könnte ein Chat-Service Ratsuchenden weit über Dienst- und Öffnungszeiten hinaus virtuell weiterhelfen. „Toll wäre es auch, wenn man online Termine vereinbaren könnte, die sich über die Möglichkeit zur Verbindung mit dem eigenen Kalender auf dem Smartphone gleich selber eintragen.“
Tatsächlich, so schilderten die Mitglieder der dbb jugend nrw auf ihrer jüngsten Sicherheitskonferenz, habe in der Pandemiezeit die Zahl der Übergriffe merklich abgenommen. Der Grund hierfür: Bürger wurden gebeten, bei Beratungsbedarf auf die Hotline zurückzugreifen. „Durch den geringeren Grad an Direktkontakten beobachteten wir auch einen Rückgang an Übergriffen“, sagt Moritz Pelzer, Vorsitzender der dbb jugend nrw.
Städte wie Bonn und Hannover gehen mit gutem Beispiel voran
Das gebe einen Hinweis darauf, dass es hilfreich sein könnte, einzelne Dienste online anzubieten. „Ein riesiger Vorteil: Berufstätige müssen sich nicht mehr extra frei nehmen, um für ihr Anliegen persönlich zu erscheinen“, sagt Pütz. Beispielhaft seien hier Städte wie Bonn und Stuttgart. Diese bieten laut Pütz den Bürgern eine Smartphone-App an, über die sich beispielsweise fürs Sozialamt Stromrechnungen einscannen und dorthin senden lassen. Die Erfahrungen in Stuttgart zeigten, wie positiv solche Möglichkeiten angenommen werden. „Fünf Monate nach der App-Einführung wurde ein Drittel der Anfragen auf diesem Weg gestellt“, sagt die Studentin.
„In Summe haben die Studierenden der HSPV in ihrer Projektarbeit gezeigt, dass es weit über die klassischen Arbeitsschutzmaßnahmen hinaus Ansatzpunkte gibt, wie man die Arbeit der öffentlich Beschäftigten sicherer machen kann“, sagt Pelzer und fügt an: „Wir müssen nur genau hinschauen. Manchmal kann durch wenig kostspielige Veränderungen viel erreicht werden.“