Übergriffe auf Ordnungsamtsmitarbeiter haben sich vervierfacht
Die Zahl der Angriffe auf Zugpersonal oder Einsatzkräfte von Polizei und Ordnungsämtern ist in Zeiten der Pandemie auf ein Rekordhoch geklettert. Was Außendienstkräfte erleben und was passieren muss, um die Situation zu verbessern.
Fausthiebe ins Gesicht, Tritte, Schläge und Bedrohung sind an der Tagesordnung. In Zeiten der Pandemie ist das Klima nochmals deutlich rauer geworden als es ohnehin schon war, zeigt ein Blick in die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) NRW.
Corona-Schutzmaßnahmen oft Auslöser für Angriffe
Diese belegt seit 2019 eine Vervierfachung der Attacken auf „Vollstreckungsbeamten gleichstehende Personen“, denen in der Statistik auch die Ordnungsamtsmitarbeiter zugeordnet werden. Waren es 2019 noch 410 Übergriffe, zählte die PKS NRW im Jahr 2020 in Summe 1.640 Angriffe. Ähnliche Zahlen präsentierte auch das NRW-Innenministerium, das die Vervierfachung der Übergriffe auf Kontrollen der Corona-Schutzmaßnahmen zurückführt.
Auch in anderen Bereichen des Öffentlichen Dienstes berichten seit Jahren Uniformierte wie Feuerwehrleute, Polizisten sowie Mitarbeiter der Verkehrsüberwachung über eine Zunahme von Angriffen.
In Düsseldorf brachte die Stadt alleine seit Beginn des Jahres 2021 insgesamt 121 Übergriffe gegen Außendienste zur Anzeige, berichtete die Rheinische Post Ende Juli. Im gesamten letzten Jahr seien es 151 Fälle gewesen.
Beschäftigte brauchen besseren Schutz
„Wir sind schockiert über diese Entwicklung“ sagt Susanne Aumann, Vorsitzende der dbb jugend nrw. Seit vielen Jahren setzt sich der Verband für die Verbesserung dieser Situation ein.
Eines der Probleme: Die Kommunen gehen im Fall von Übergriffen auf ihre Mitarbeiter – gleich, ob diese im Bürgerbüro, Sozialamt oder Ordnungsamt arbeiten – unterschiedlich mit der Problemlage um.
In Düsseldorf wandten sich jüngst Mitarbeiter des dortigen Ordnungs- und Sicherungsdienstes (OSD) in einem anonymen an die Medien gerichteten Brief nach außen, weil sie sich mehr Unterstützung durch ihren Arbeitgeber wünschten. Fünf Beschäftigte seien durch Bisse, Tritte und auf andere Weise derart schwer verletzt worden, dass sie danach dienstunfähig waren, berichtet die Rheinische Post. Nach Auffassung der Mitarbeiter des Düsseldorfer Ordnungs- und Sicherheitsdienstes (OSD) passiere in solchen Fällen zu wenig. Vorfälle würden laut Pressebericht nicht öffentlich gemacht.
Übergriffe flächendeckend öffentlich machen
Zwar verfolgen viele öffentliche Arbeitgeber mittlerweile eine Null-Toleranz-Haltung, sagt Aumann. Werden kommunale Beschäftigte also während der Arbeit angegriffen oder beleidigt, sehen verschiedene Sicherheitskonzepte und Präventionsmodelle entsprechende Unterstützung vor. „Dazu zählt vielerorts auch, Übergriffe nicht nur zur Anzeige zu bringen, sondern in der Regel auch über das Presseamt der Stadt oder Gemeinde öffentlich zu machen“, sagt Aumann.
Neben der Strafverfolgung ist aus Sicht der dbb jugend nrw auch die begleitende mediale Berichterstattung darüber wichtig. In Düsseldorf beispielsweise geschehe dies erst nach Verhandlung der Strafsache. Das Argument der Stadt: Man wolle die Täter nicht vorab über die Medien informieren, sondern dafür Sorge tragen, dass sie erstmals vor Gericht mit ihrer Tat konfrontiert würden.
„Vor dem Hintergrund der Generalprävention und einer Null-Toleranz-Haltung ist das aus unserer Sicht kontraproduktiv“, sagt Aumann. Durch die Veröffentlichung solcher Vorfälle werde in der Öffentlichkeit eine gewisse Sensibilität geschaffen. „Denn wenn die Allgemeinheit öffentlich mitbekommt, dass ein Übergriff auf einen Staatsdiener niemals toleriert wird, in jedem Fall Strafanzeige erstattet wird und der Täter mit Konsequenzen rechnen muss, hat das abschreckende Wirkung“, ist sich Aumann sicher. Es könne also dazu beitragen potenzielle Straftäter von einer Tat abzuhalten.
Es fehlen landesweit Standards
In zahlreichen Kommunen gibt es aus Sicht der dbb jugend nrw Nachbesserungsbedarf. Nicht einmal Schulungen, Deeskalationstrainings oder Einsatz- und Eingriffstechniken sind landesweit Standard. Die Umsetzung präventiver Maßnahmen hänge stark von den organisatorischen und finanziellen Möglichkeiten sowie der politischen Ausrichtung und der Priorisierung der Kommune ab, kritisiert der gewerkschaftliche Jugenddachverband. Aus diesem Grund seien einheitliche Standards in NRW als Rahmenbedingungen für mehr Schutz und Sicherheit der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst nötig.
Das Land NRW habe im vergangenen Jahr mit seinem Beschluss, die kommunalen Ordnungsdienste mehr zu unterstützen, einen Schritt in die richtige Richtung getan. „Dem Beschluss nach soll es einheitlich hohe Standards in der Ausbildung wie auch Ausrüstung der Ordnungsdienste geben“, sagt Aumann.
Darum fehlen im Ordnungsamt die Kollegen
Die Umsetzung und Begleitung des politischen Auftrags liege nun bei der Landesregierung und den kommunalen Spitzenverbänden. Sie sei nicht nur zum Schutz der derzeit dort Beschäftigten wichtig, sondern auch vor dem Hintergrund, dass es in den entsprechenden Bereichen hohe Stellenvakanzen gebe. Kontinuierlicher Aufgabenzuwachs und Arbeitsverdichtung sowie hoher öffentlicher Druck und die Arbeit im Schichtdienst erschweren die Suche nach geeignetem Personal.
„Es besteht also Handlungsbedarf in alle Richtungen“, sagt Aumann. Den fordere man jetzt. Die Situation dürfe sich nicht noch weiter zuspitzen.
In Düsseldorf nahm man die Beschwerde der Beschäftigten zum Anlass, sich mit der akuten Situation auseinanderzusetzen. Dort erwägt man im Bereich der Altstadt eine Videoüberwachung anzubringen. Durch eine bessere Beleuchtung am Rhein will man zudem die Situation entschärfen. Zudem soll der Ordnungsdienst personell massiv aufgestockt werden. Von 40 Neueinstellungen zum Monatsanfang ist die Rede. Ergänzend kündigte Düsseldorfs Ordnungsdezernent Christian Zaum die Einrichtung einer Leitstelle nach dem Vorbild von Polizei und Feuerwehr an.