15.08.2023 | Bestandsaufnahme

„Ich hatte nicht auf dem Schirm, mich selbst schützen zu müssen“

Mehr als die Hälfte der Staatsbediensteten kennt es, angegriffen und bedroht zu werden. Das bringt eine aktuelle Umfrage des Deutschen Beamtenbundes ans Licht. Zu den Umfrageergebnissen und der Situation äußert sich auch die Vorsitzende der dbb jugend nrw Susanne Aumann im Fernsehen.

 

„Es ist außergewöhnlich, dass ich mich als Mitarbeiterin einer Kommunalverwaltung damit befasse muss, mich selbst zu schützen“, sagt Susanne Aumann, Vorsitzende der dbb jugend nrw in der ARD. Heute legt der Deutsche Beamtenbund neue Zahlen dazu auf den Tisch: Mehr als die Hälfte der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst kann davon berichten, selbst beschimpft, bedroht oder angegriffen worden zu sein. Als ich vor 15 Jahren bei der Stadt angefangen habe, hatte ich nicht auf dem Schirm, dass es eine Rolle spielen wird, sich selbst schützen zu können“, sagt Aumann im Fernsehen.

 

Kampagne „Gefahrenzone Öffentlicher Dienst bleibt hoch aktuell“

 

Obwohl schon seit Jahren ein Problembewusstsein für diese miserable Lage in Behörden und Politik herrscht, ist das Ruder immer noch nicht herumgerissen. Die Attacken gehen weiter. Einen Überblick über die seit Jahren ansteigende Zahl von Übergriffen dokumentiert die Deutsche Beamtenbund-Jugend NRW auf der Seite www.angegriffen.info. Dort finden sich neben Erfahrungsberichten betroffener Staatsbediensteter auch Informationen über aktuelle Studien sowie Veränderung der Gesetzgebung und Initiativen, die helfen wollen, die Lage zu verbessern.

 

„Die Hemmschwelle für Übergriffe ist gesunken“

 

Über die Ursachen zunehmender Gewalt weiß man inzwischen mehr. Das Vertrauen in den Staat und seine Institutionen habe nachgelassen, betont der Vorsitzende des dbb, Ulrich Silberbach begleitend zur Vorstellung der Umfrage des Meinungsforschungsinstituts forsa, die der dbb in Auftrag gegeben hat. Die Hemmschwelle, verbal oder körperlich übergriffig zu werden, sinke dadurch, hält auch Susanne Aumann im Interview mit dem Morgenmagazin fest.

 

80 Prozent der forsa-Befragten konstatiert eine generell wahrnehmbare Verrohrung der Gesellschaft. Eine der Folgen: Wer an der Basis arbeitet – wie beispielsweise in Sozialämtern oder Ordnungsbehörden – werde als Vertreter des Staates zur Zielscheibe für Menschen, die ihren Frust über den Staat oder vermeintliche Fehlentscheidungen loswerden wollen. Fälle von Übergriffen auf der Straße gegenüber Rettungsdiensten oder Polizisten reihen sich aneinander – doch auch Fälle in Behördeninnenräumen zu.

 

Mehr Personal nötig, um Situation beherrschbar zu machen

 

Man müsse einen anderen politischen Diskurs führen und für ausreichend Personal im Bereich der Justiz und beim Sicherheitsdienst der Behörden sorgen, sagt Silberbach. Das sei notwendig, um Menschen, die ausrasten, klare Kante zeigen zu können.

 

Für wichtig hält Aumann vor allem Strafen, die sofort folgen und nicht erst nach Jahren. Aus diesem Grund hält sie auch die personelle Ausstattung in der Justiz für unverzichtbar. Auch bauliche Maßnahmen in den Ämtern müssten weiter verbessert werden. Ebenso könne die Verbesserung von Abläufen in Behörden dafür sorgen, das Aggressionspotenzial zu senken. „Wartezeiten müssen besser werden“, sagt Aumann im Interview.

 

Letztlich ist das Problem umfassender als es auf den ersten Blick scheinen mag: „Wir haben Sorge, dass eine solche Situation abschrecken könnte, sich im Öffentlichen Dienst zu bewerben“, sagt die Vorsitzende der dbb jugend nrw. Möglichkeiten zur Verbesserung sieht sie in besseren Strukturen, Nachsorgemöglichkeiten für Betroffene und dem Rückhalt von Vorgesetzten und Arbeitgebern, Angriffe öffentlich zu machen und zu verfolgen.

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