Wir brauchen Anlaufstellen auf Landesebene
21.11.2019 | Mit im Boot

„Wir brauchen Anlaufstellen auf Landesebene“

Bedrohungen und Beschimpfungen gegen Bürgermeister und Beschäftigte im Öffentlichen Dienst haben zugenommen. Das ergab eine aktuelle Umfrage vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. Auf das schockierende Ergebnis folgt nun vom DStGB ein Plan, was man dagegen tun könnte.

 

Die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke vor einigen Monaten sorgte als trauriger Höhepunkt der Gewalt gegen Mandatsträger für einen schweren Schockmoment. Beleidigung, Bedrohung und Gewalt macht weder vor den Amtstüren der Beschäftigten in den Verwaltungen Halt, noch vor denen öffentlicher Amtsträger.

 

„Die Zahl der Übergriffe auf kommunale Amts- und Mandatsträger befindet sich auf einem erschreckend hohen Niveau und nimmt immer weiter zu“, sagt der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Uwe Brandl.

 

Zahl der Übergriffe um 25 Prozent gestiegen

 

Tatsächlich ist in den letzten zwei Jahren laut einer Umfrage des kommunalen Spitzenverbandes die Zahl der tätlichen Übergriffe um ein Viertel gestiegen. Stalking, Beschimpfungen und Bedrohungen sind demnach in 40 Prozent der Kommunen an der Tagesordnung. Zugenommen haben dabei auch die körperlichen Angriffe. Rund 1.000 Kommunen hatten an der Umfrage teilgenommen.

 

Vor dem Hintergrund dieser Hasswelle sinke zum Teil die Bereitschaft, sich ehrenamtlich als Bürgermeister zu engagieren, sagte der Hauptgeschäftsführer des kommunalen Spitzenverbandes, Gerd Landsberg, gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Die Sorge um das eigene Wohl und das der Familien ist auch unter den Mandatsträgern hoch. So hoch, dass einzelne Mandatsträger sich zu einem Rücktritt entschließen.

 

Mehr politische Bildung und mehr Dialog nötig

 

Darum fordert der Städte- und Gemeindebund nun einen besseren Schutz für die Betroffenen. „Wir brauchen mehr Aufklärung über das Geschehen, mehr politische Bildung an den Schulen und vor allem mehr direkten, persönlichen Dialog“, fordern Brandl und Landsberg.

 

„Unsere Mitglieder melden uns aus allen Bereichen des Öffentlichen Dienstes, dass sie im persönlichen Kontakt immer häufiger aggressiv angegangen werden. Gleichzeitig wird auch der Ton insbesondere in Diskussionsforen, Kommentaren und den sozialen Netzwerken zunehmend rauer“, sagt Moritz Pelzer, Vorsitzender der Deutschen Beamtenbund-Jugend NRW (dbb jugend nrw). Deshalb verfolgen er und die Mitglieder des gewerkschaftlichen Jugenddachverbandes das Thema „Mehr Schutz und Sicherheit für die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst“ seit vielen Jahren mit Nachdruck und gehen immer wieder auf die Straße, suchen das Gespräch mit der Bevölkerung und reden darüber, was ihnen als öffentlich Bediensteten im Job an den Kopf geworfen wird.

 

Respektvoller Umgang ist aus der Mode gekommen

 

Andreas Hollstein ist Bürgermeister von Altena. Er wurde auf der Straße selbst Opfer eines Messerangriffs und kennt auch Beschimpfungen und Angriffe im Netz sehr gut. „Die Meinung anderer zu respektieren, ist vollkommen aus der Mode gekommen“, sagt er im Interview mit der dbb jugend nrw. „Viele sehen ihre eigenen Ansprüche als absolut an.“ Hollstein hat seinen Weg gefunden, mit Beschimpfungen aus dem Netz umzugehen. Was früher in der Ablage „P“ endete, bringt er heute zur Anzeige, sofern es strafrechtlich verfolgbar ist. Er will ein Zeichen setzen. Auch für seine Mitarbeiter im Rathaus und den anderen Kommunalbehörden.

 

Die einhellige Meinung der Betroffenen und der Spitzenverbände: Für persönliche Anfeindungen dürfe auch im Netz kein Platz sein. „Es muss klar sein, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist“, sagt Landsberg. Darum sehen die Kommunen die Betreiber sozialer Netzwerke in der Pflicht. Gewaltaufrufe nicht sollen ihrer Meinung nach nur gelöscht, sondern auch konsequent verfolgt werden.

 

Städte- und Gemeindebund fordert konsequente Strafverfolgung

 

Wichtig zudem: die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und dazu aufzurufen, den Betroffenen zur Seite zu stehen und öffentlich für sie einzustehen. Zudem fordert der Städte- und Gemeindebund neben der konsequenten Strafverfolgung auch, dass die Gerichte in solchen Fällen konsequent durchgreifen.

 

Zudem fordert Landsberg mehr staatlichen Schutz für Spitzenpolitiker, ehrenamtliche Bürgermeister und die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes. „Diese Menschen nehmen für das Gemeinwohl wichtige Aufgaben mit großem persönlichem Engagement wahr. Sie verdienen dafür Achtung, Respekt und vor allem die Unterstützung des Staates und der gesamten Gesellschaft“, sagte er im Deutschlandfunk. Darum bräuchten die Betroffenen in den Ländern zentrale Anlaufstellen, bei denen sie Übergriffe melden könnten.

 

Wo ist das ganzheitliche Sicherheitskonzept?

 

Ähnliches diskutiert die dbb jugend nrw seit mehreren Jahren mit der Politik: „Wir erachten es für notwendig und überfällig, dass jede Art von verbaler und auch körperlicher Gewalt gegen Beschäftigte im Öffentlichen Dienst wie auch gegen ehrenamtliche Amts- und Mandatsträger in der polizeilichen Kriminalstatistik miterfasst wird“, sagt Pelzer. Zwar habe diese Forderung Eingang in einen Appell der CDU-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag gefunden, doch ist die daran geknüpfte Forderung des Landtags an die Landesregierung bislang unerfüllt geblieben. Ziel war es, ein ganzheitliches Sicherheitskonzept für die Landesverwaltung zu erarbeiten, das auch ein Modul für die Kommunen beinhalten sollte. Pelzer gibt sich darum unnachgiebig: „Wir werden das nicht aus den Augen verlieren, bis eine Umsetzung erfolgt.“

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